Skilanglauf – das spezielle Athletiktraining für Läufer

 
Die Deutsche Vizemeisterin über 10.000 m Laura Hottenrott schreibt über ihre Erfahrungen
Laufen ist meine Sportart. Für viele Millionen Läufer ist es ebenfalls Ihre schönste Sportart. Wir sind fasziniert vom Gefühl der Freiheit, uns bei Wind und Wetter durch die eigene Kraft in Bewegung zu setzen, und legen so täglich unzählige Kilometer zurück. Viele Menschen laufen, um etwas für ihre Fitness und Gesundheit zu tun. Ich liebe die Herausforderung, das gute Gefühl nach dem Training und die spannenden Wettkämpfe.
Doch manchmal sehnt sich auch der motivierteste Läufer nach einer Abwechslung und dies nicht nur um etwas gegen Trainingsmonotonie und fehlenden Antrieb zu tun, sondern aus ganz plausiblen Gründen.
Laufen stellt eine starke Beanspruchung auf das gesamte Stütz- und Bewegungssystem dar; Sehnen, Knorpel, Gelenke und Knochen werden teilweise überbeansprucht, das arthromuskuläre Gleichgewicht wird gestört. Werden muskuläre Dysbalancen nicht ausgeglichen, so begünstigen sie Fehlbelastungen und in deren Folge Beschwerden und Verletzungen. Diese treten bei einigen Läufern erst nach vielen Jahren auf, bei anderen wiederrum deutlich früher. Ich will an dieser Stelle nicht vertiefend auf die Problembereiche des Laufens eingehen. Fakt ist, das ein abwechslungsreiches Trainingsprogramm eine gewisse Prophylaxe vor Über-beanspruchungsreaktionen und Beschwerden darstellen kann.


 
Laura Hottenrott, Bachelor Abschluss in Biologie in Boston USA, amtierende deutsche Vizemeisterin über 10000 Meter und Dritte bei der DM im vergangenen Jahr über 5000 Meter. Zudem Gewinnerin des Köln Halbmarathons 2016.
Hottenrott studiert seit Herbst 2016 an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Laura wird von ihrem Vater, Prof. Dr. Kuno Hottenrott, trainiert.
Skilanglauf bietet hierfür beste Voraussetzungen. Es ist ein Sport, der dem Laufen sehr ähnlich und leicht erlernbar ist, ebenfalls in der freien Natur stattfindet, aber neue Reize auf den Organismus setzt, die sich äußerst positiv auf das Laufen auswirken. Dazu zählen die besondere Förderung der Bewegungskoordination, die Kräftigung der Rumpf- und Schultergürtelmuskulatur, die Verbesserung der Beinkraftausdauer und die Erhöhung der Grundlagenausdauer. Skilanglauf ist sozusagen ein perfektes „Crosstraining“ und ein spezielles Athletiktraining für Läufer, d.h., die Laufleistung kann mit Skilanglauftraining nicht kurzfristig, aber mittel- bis langfristig deutlich erhöht werden.

Skilanglauf erfordert ein gutes Bewegungsgefühl, um auf die ständig wechselnden Bedingungen, z.B. die veränderte Schneebeschaffenheit, das Streckenprofil und den Zustand der Loipen reagieren zu können. Die klassische Skilanglauftechnik ist der Bewegungsstruktur des Laufens sehr ähnlich und leicht erlernbar. Schon nach wenigen Übungsstunden der Techniken können lange Trainingseinheiten zur Verbesserung der Grundlagenausdauerfähigkeit absolviert werden. Die Skatingtechnik ist etwas schwieriger zu erlernen, bietet aber sehr abwechslungsreiche Fahrtechniken. Im Trainingslager bietet es sich an, das Training sowohl mit klassischem Skilangkauf als auch mit der Skating Technik zu gestalten, um verschiedene Muskelgruppen abwechselnd zu beanspruchen. Skilanglauf ist eine „low impact“ Sportart da die Stoßbelastungen in der Stützphase sehr gering sind. Beim Laufen entstehen sehr hohe Stoßbelastungen, die vom körpereigenen Dämpfungssystem der Muskulatur, der Sehnen und Bänder nur unzureichend abgefangen werden können.  Beim sanfStütz- und Bewegungssystem in einer schonenden Art und Weise beansprucht.

 
  Skilanglauf: Training von Kraft- und Grundlagenausdauer
Durch den gelenkschonenden Ganz-körpereinsatz können Belastungsumfänge realisiert werden, die weit über denen eines ausschließlichen Lauftrainings liegen. Die Voraussetzungen für ein effizientes Fettstoffwechsel- bzw. Grundlagenausdauertraining sind somit gegeben. Dieses Training entwickelt eine hohe aerobe Leistungsfähigkeit der sauerstoffaufnehmenden, -transportierenden und –verwertenden Systeme und wird nach der Dauer- und Fahrtspielmethode bei geringer und mittlerer Intensität trainiert. Beim herzfrequenzkontrollierten Training sollte der Bereich zwischen 65 Prozent und 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz für die Entwicklung der Grundlagenausdauer eingehalten und eine Belastungsdauer von mindestens 1,5 Stunden erreicht werden. Auch auf stark profilierten Strecken kann die vorgegebene Belastungsintensität durch eine dem Streckenprofil angepasste Technik eingehalten werden. Eine Leistungsreserve im Langstreckenlauf stellt die Kraftausdauerfähigkeit dar. Beim Skilanglauf wird die Kraft der Streck- und Beugeschlinge der unteren Extremität wirkungsvoll trainiert. Das Kraftausdauertraining (KA 1 und KA 2) erfolgt im Anstieg oder in dem einzelne Vortriebselemente isoliert trainiert werden (z.B. Schlittschuhschritt oder Diagonalschritt ohne Stockeinsatz).

Umstellungsprobleme vom Laufen zum Skilanglauf
Nicht selten berichten Läufer nach ihren ersten Trainingseinheiten mit Langlaufskiern von starkem Muskelkater in der Bauch-, Rücken- und Schultergürtelmuskulatur. Vor allem der im Oberkörper muskulär wenig ausgebildete Langstreckenläufer wird die außergewöhnliche Belastung spüren. Egal, ob im Diagonalschritt oder im Skatingschritt gelaufen wird, die geraden und queren Bauchmuskeln, die Schulterblattstabilisatoren und die Adduktoren sind fortwährend im Einsatz und werden dabei gut trainiert.
Um muskuläre Probleme und Ver-spannungen zu vermeiden, ist es wichtig regelmäßig ein kurzes Dehnprogramm vor oder nach dem Training auf der Loipe durchzuführen. Typische Dehnübungen des Laufens können dabei auch sehr gut mit  Skiern durchgeführt werden.

Umstellungsprobleme vom Skilanglauf zum Laufen
Viele Läufer berichten von Umstellungs-problemen beim Laufen nach dem sie mehrere Trainingseinheiten im Skilanglauf absolviert haben. Ich habe dann das Gefühl, beim Laufen „am Boden zu kleben“, wobei mein Laufschritt sehr flach ist und ich mit einer hohen Schrittfrequenz laufe. Ursache hierfür ist, dass beim Skilanglauf vor allem bei den Skatingtechniken keine reaktiven exzentrischen Belastungen auftreten und damit der für das Laufen wichtige Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus nicht trainiert wird. Ich empfehle daher, unmittelbar nach dem Skilaufen 15 bis 20 Minuten locker auszulaufen und dabei Koordinations- und leichte Sprungübungen durchzuführen.
Nach einem mehrtätigen Skilang-lauftraining (Trainingslager) bedarf es drei bis fünf lockere Laufeinheiten mit integrierten Sprung- und Schnelligkeitselementen (Lauf-ABC), um den Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus  wieder mit hoher Wirksamkeit verfügbar zu haben. Danach können wieder Trainingseinheiten mit hohen Laufgeschwindigkeiten ohne das Risiko muskulär zu verspannen absolviert werden.
Literatur:
Hottenrott, K., Urban, V. (2010): Das große Buch vom Skilanglauf. Meyer & Meyer: Aachen.